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CD-DETAILS THE BEDLAM IN GOLIATH [MARS VOLTA, THE]


Foto: Ross Halfin

Mars Volta, The

The Bedlam In Goliath [Rock / Alternative]


RELEASE: 25.01.2008


LABEL: Universal

VERTRIEB: Universal

WEBSITE: www.themarsvolta.com

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Die Entstehungsgeschichte des neuen Albums von The Mars Volta ‚The Bedlam in Goliath’ ist sicherlich eine der seltsamsten der modernen Musik. Es ist ein Märchen von lange verschollenen Mordopfern und ihren Einflüssen aus dem Jenseits in unsere Welt; beginnend mit einem Streit, auf den um ein Haar der totale Zusammenbruch folgte und schließlich der letzte Schritt, der der „Platte, die niemals auf die Welt kommen wollte“, das Leben schenkte. Ich verspreche Ihnen, wir werden all das genauestens für Ihr Verständnis und zu Ihrer Unterhaltung erörtern.

Doch für den Augenblick, bevor wir neue Passagiere zu der Wahnsinnsfahrt ‚The Bedlam in Goliath’ an Bord des Volta Express willkommen heißen, müssen wir warm laufen. Somit präsentieren wir voller Stolz: „Die Geschichte von The Mars Volta in Kurzform“.

Zur Jahrtausendwende entschieden Gitarrist/Produzent Omar Rodriguez-Lopez und Sänger/Songschreiber Cedric Bixler-Zavala unter dem Name The Mars Volta eine musikalische Beziehung einzugehen. Sie rekrutierten einige unerschrockene Musiker und nahmen eine EP namens ‘The Tremulant’ auf. Diese EP war einerseits seltsam und anderseits unglaublich, ein bahnbrechendes Werk, das die Grenzen der Vorgängerband “At The Drive-In” sprengte.

Das nächste Album ‘De-Loused In The Comatorium’ konnte gleichzeitig als Klage- und Loblied auf ihren Freund Julio Venegas verstanden werden, obgleich in den Songs die Lebens- und Todesmühen des fiktionalen Charakters Cerpin Taxt nachgezeichnet wurden. ‘De-Loused In The Comatorium’ war zugleich entblößend, wuchtig und einflussreich.

‘Frances the Mute’, das nächste Werk von The Mars Volta, thematisierte ebenfalls den schmerzlichen Verlust eines Freundes der Band. Das zu gleichen Teilen bizarre und mächtige Album ist dem Musiker und Bandkollegen Jeremy Ward gewidmet. Omar verzichtete ab dieser Platte auf den poppigen Schimmer, den Rick Rubin über das erste Album gezaubert hatte und entschied sich als alleiniger Produzent für experimentelle Gefüge und Strukturen. Nennt man ‘If De-Loused...’ ein Werk der Dunkelheit, dann ist ‘Frances the Mute’ ein Obsidian, Vulkanisches Glas. Voller Inspiration. Und Würde.

Das letzte veröffentlichte Album von The Mars Volta heißt ‘Amputechture’ und ist die erste Platte der Band, die, abgesehen von der weiter fortschreitenden musikalischen Evolution, kein zentrales Thema hat. Omar fungiert nun als Regisseur / Dirigent / Visionär. Er komponiert Musik und Motivation, während Cedric seine Stimme und Lyrics um die vielschichtigen Songs legt, die sich inhaltlich mit Hexenverbrennung, kultureller Unterdrückung und Wahnsinn beschäftigen. Die sich verdichtende Intensität der Single ‘Viscera Eyes’ allein ist den Preis der Platte wert.

Die Touren, die The Mars Volta zu jedem Album absolvierten, entwickelten sich zu Gruppenversuchen ein Standard-Konzert in etwas, das man bestenfalls als audiellen Blitzkrieg in Worte fassen kann, zu transformieren. Saul Williams, sicherlich kein Pfuscher in der Kunst der Live-Performance, sagte einst, dass er sich als Vorband beeilt hätte, damit er schneller in den Genuss von The Mars Volta käme.

Sie sehen: Sie brauchen diese Alben, sollten diese nicht schon in Ihrem Besitz sein. Wenn Sie bereits stolzer Eigentümer diverser The Mars Volta-Platten sind, wissen Sie genau, wovon ich hier spreche. Sicherlich warten Sie dann schon gespannt auf ‘The Bedlam in Goliath’ als die Platte des Jahres. Und genau wie ich wissen Sie, dass The Mars Volta ihre Stadt mit einer ihrer sensationellen Live-Shows einnehmen wird. Sie müssen dort sein, sonst wird ein kleines Stück ihrer Seele sterben. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen.

Nun, wir sind soweit. Meine Damen und Herren, wir befinden uns unmittelbar vor der Veröffentlichung der großartigen neuen Platte von The Mars Volta. Und nun die versprochene Geschichte:

Vielleicht fangen wir am besten mit einem Prolog zu diesem verstörenden Märchen an, für die Zyniker und Pragmatiker unter ihnen, solcherlei Menschen, die ihr Leben lieber in Langeweile leben und im Angesicht großer Geschichten immer zuerst ungläubig die Augen rollen. Das ist ihr gutes Recht. Aber diejenigen unter ihnen, die gewillt sind zu glauben, dass Metaphysik ein elementarer Teil der Physik ist, den unserer Gehirne nicht verarbeiten können, werden die Gewalt dieser Worte verstehen.
Diese Zitate von zwei Volta-Weggefährten ebnen den Weg:

“Deine Worte bauen deine Welt. Sieh dir Biggie (Notorious B.I.G.) an. “Ready to Die”. Gesagt, getan. Zack. Tot”
-Saul Williams (schon wieder)

“Dies ist der Sound dessen, was dich leise tötet. Dies ist der Sound der Wahrheit, an die du nicht glaubst. Dies ist der Sound dessen, was du nicht tun willst, aber trotzdem tust.”
-El-P

Und nun, endlich, erzähle ich Ihnen die Geschichte:

Omar befand sich in einem Kuriositäten-Shop in Jerusalem. Dort fand er das perfekte Geschenk für Cedric: Ein antikes “Ouija- Board”, ein okkultes Kommunkationsbrett, durch das man mit den Toten sprechen kann. Und so veränderte Omar , in der Stadt in der religiöse Leidenschaft in der Luft liegt; in einem Laden, in dem man auch Affenklauen oder Fabelwesen hätte erwarten können, die Geschichte von The Mars Volta. Hätte er in diesem Augenblick die Geschichte des Ouija-Boards gekannt, seine Herkunft verstanden und seinen furchterregenden Ursprung in der Todeswut des Vielköpfigen Goliath, der hinter den Toren einer anderen Welt auf ihn wartete, erahnt, hätte er es wohl auf dem staubigen Regal des Ladens zurückgelassen.

Das Gute an seiner Entscheidung: Kein wahrhaft böser Geist entwischte dem Ouija-Board.

Lediglich Wahnsinn folgte. Lediglich bizarre Verflechtungen einer Liebes/Lust/Mord-Dreiecksgeschichte drohten sich auf die Band zu übertragen sobald sie ihre Finger auf das Brett legten.

Und das Schlechte: Ohne die Entbehrungen aufgrund des okkulten Spielbretts hätte es ‘The Bedlam in Goliath’ nie gegeben. Am Ende half das spirituelle schwarze Loch im Ouja-Bord The Mars Volta einen weiteren, krönenden Moment ihrer bereits glorreichen Karriere zu kreieren.

Hätte Omar das dunkle Kleinod nicht entdeckt und diese Brett niemals für Cedric gekauft, wäre die Band viel glücklicher, gesünder und viel weniger verflucht. Aber Sie und ich, verehrter Hörer, hätten unseren Kopf für dieses verdammt großartige Album opfern müssen!

Und das ist nicht alles.

Erinnern wir uns für einen Augenblick an die letzte große Tour. The Mars Volta und The Red Hot Chili Peppers ließen ganze Hallen in Schutt und Asche zurück, bevor sie nach dem Konzert in ihre Busse stiegen und im Dunkel der Nacht verschwanden. Anstelle der gängigen Rock-Gott-Rituale hockten die Jungs fieberhaft über dem Ouija Brett, dass sie “Den Wahrsager” getauft hatten. Sie waren ihm verfallen, dem “Wahrsager”, er wurde zur Sucht nach den Shows. Der Wahrsager nannte ihnen diverse Namen aus dem Jenseits: Goliath, Mr. Mugs, Partience Woth und Tourniquet Man.

Der Wahrsager offenbarte auch eine Geschichte: Einst lebte ein Mann, eine Frau und deren Mutter. Leidenschaft durchdrang die Drei. Verführung und dann Untreue bestimmten den Fortlauf der Geschichte. Schmerz überkam die Protagonisten. Am Ende stand Mord. Eingeweide, Flüche, Bewußtlosigkeit, Vergessen. Jaja, tatsächlich erzählte das Ouija-Brett den Jungs genau die Art von unheimlichem Scheiß, den man von einer Seonce erwartet.

Nun aber der Harken an der Sache:

Der Wahrsager zwang die Band Gegenleistungen zu erbringen. Die Verbindung war gegenseitig und unsichtbare Stimmen regten ihren Appetit an. TMV boten Auflösung und Vergessen an, oder vielmehr, sie boten es an, um die Stimmen zu verführen.
Die Stimmen fügten sich zu “Goliath” zusammen, einem metaphysischen Sumpf, einem gefallenen Heiligen, dessen Sehnsucht wieder in die reale Welt zurückzukehren von Verbindung zu Verbindung wuchs.

Es gibt keine sicheren Wege die Verbindung zwischen dem Jenseits und Diesseits wieder zu schließen. Die Tür war geöffnet. Doch The Mars Volta scheute keine Gefahr. Sie hielten den Kontakt zur Welt der Geister. Sie nahmen sogar Phrasen aus dem Jenseits und schrieben sie in ihre Songs. Aber niemals, niemals boten sie sich als Körper für die Geister an. Und der schmachtende Goliath wurde immer gieriger.

Unerklärliche, technische Probleme fingen an die Tour zu überschatten.

Konflikte mit dem Drummer eskalierten und endeten in einem Personalwechsel. Rituale ebnen den Weg zu Verletzungen und bald wurde Cedric von einer zufälligen (und schweren) Fußverletzung lahm gelegt.

Plötzlich bröckelte die seelische Gelassenheit eines normalerweise absolut stabilen und zuverlässigen Technikers, bis er gezwungen war, das Projekt zu verlassen. Die Fährte, die er hinterließ, war undurchschaubar.

Omars Studio stand eines Tages unter Wasser und um ein Haar wäre er seinem Techniker auf seinem Weg in den Wahnsinn gefolgt.

Langwierige Verzögerungen überkamen die Albumproduktion und die Beteiligten wurden von Schlafstörungen geplagt.

Sinnlose Worte und Phrasen aus Sessions mit den Ouija-Brett tauchten nun öfter zufällig in, sagen wir, Dokumentationen über Massenselbstmorde auf.

Eines Tages blätterten die Beschriftungen am Ouija-Brett ab und offenbarten Pre- Aramäische Schriftzeichen, die in seltsamen Formen quer über das ganze Brett geschmiert waren.

Dies ist ein sehr, sehr schlechtes Omen. Schnell drohte die Welt um die Band in Stücke zu brechen.

Es kommt noch schlimmer:

Das Brett fängt an zu drohen.

Drohen!

Das war’s. Die Band vergräbt das verflixte Ding.

Es gibt zahlreiche Versuche Verbindungen mit Geistern zu versiegeln. Man kann ein ganzes Jahr Weiß tragen. Umgeben Sie sich mit Salz zum Schutz. Schließen Sie einen Schrank und bitten Sie jemand anders ihn wieder zu öffnen, damit übertragen Sie die Besessenheit auf die andere Person. Brechen Sie das Brett in sieben Teile und besprühen Sie es mit Weihwasser.

Oder Sie vergraben es.

Omar wickelte den Wahrsager in Lumpen und fand einen passenden Platz tief in der Erde. Cedric bat Omar, den Ort vor ihm geheim zu halten.

Und daraufhin fand das Album eine neue Bestimmung.

‘The Bedlam in Goliath’ kommt, um die Erde, in der der Wahrsager auf seine Rückkehr wartet, zu segnen. Es ist eine Metapher für Metaphysik. Seine Geschichte wird veröffentlicht und Sie und ich, verehrter Zuhörer, werden diejenigen sein, die das verdammte Brett wieder zum Leben erwecken werden. Wir werden die Herren über seine verdammte Seele werden.

Wenn Goliaths Hunger zwischen all unseren Seelen aufgeteilt wird, wird es uns gelingen seine Macht zu zerschlagen. Schlimmstenfalls kommt es zu einer Epidemie.

So, das war die Geschichte, doch, bis heute ist sie niemals zu Ende erzählt worden, denn das Biest ist auf dem Weg die Herzen und Köpfe der zahllosen Hörer von The Mars Volta zu erobern. Meine letzte Hoffnung ist, dass das Album, ganz so, wie Mars Volta es aufgenommen haben, die unsichtbaren Lasten des Fluchs aufheben wird.

Als die Band mir die Platte schickte, um diesen Text zu verfassen, war ich nervös. Was würde mit mir passieren, wenn schon die Musik verdammt ist? Was wäre, wenn ‘The Bedam in Goliath’ eine Art Audio-Macbeth ist?

Aber nach hunderten von Listening Sessions kann ich Ihnen versprechen, dass ich eine kleine spirituelle Verdammnis für dieses Album riskieren würde.

Von dem Opener Aberinkula to the Brobdingnagian bis zum Wahnsinn und Flucht von Conjugal Burns, ‘The Bedlam in Goliath’ ist der Soundrack zur Transformation der Band. The Volta war niemals das, was man normalerweise maßvoll nennen würde, aber das Herz dieses “Bedlam”, dieses Tollhauses, ist die zähnefletschende Antwort auf die unsichtbare Bedrohung aus dem Ouija-Brett; ein wahrhaft musikalisches Schwergewicht.

Die alte Garde (Omar Rodriguez-Lopez, Gitarre und Produktion; Cedric Bixler-Zavala, Gesang und Lyrics; Isaiah Ikey Owens, Keyboard; Juan Alderete de la Pena, Bass; Adrian Terrazas-Gonzalez, Bläser; Marcel Rodriguez-Lopez, Percussion; Paul Hinojos, Gitarre und Soundboard; Thomas “Holy Fucking Shit This New Guy is Incredible” Pridgen, Drums; und Red Hot Chili Pepper/Regular-Volta-Album-Contributor John Frusciante an der Gitarre) hat eine Platte gemacht, die die Echos ihrer vergangenen Arbeit perfekt mit dem Willen neues musikalisches Territorium einzunehmen, verbindet.

Wax Simulacra trägt die Energie von De-Loused’s This Apparatus Must Be Unearthed und überhöht die Stimmung mit rasenden, gesampelten Gesängen und Trommelwirbeln über Bläsersätzen. Das hirnverdrehende, durchgedrehte Crecendo von einem Song wie Frances the Mute’s Cassandra Geminni oder Amputechture’s Viscera Eyes haben Platten und Live-Shows der Volta schon immer ein wenig Transzendenz eingehaucht. Es gibt Augenblicke in neuen Songs wie Goliath und Cavelettas and Ouroboros, die dem Hörer Krämpfe bereiten werden, vielleicht gar 'Scanners”-mäßige Kopf-Explosionen. Zurückhaltendere neue Songs, wie Ilyena oder Tourniquet Man konzentrieren das seltsame Lament andere stillen Volta- Nummern mit einem unheimlichen Sinn des Wahns. Die gesamte Volta-Crew liefert noch mehr als sonst. Und, für alle, die den neuen Drummer fürchten: Kein Grund zur Sorge. Auf The Bedlam in Goliath entpuppt Mr. Pridgen sich als ein Drum-Berserker, der gemahlenes Mastodon durch die Nase und Geparden-Blut hinter sich her zieht. Seine Arbeit ist sowohl meisterhaft als auch explosiv, und, oftmals, beides zugleich.

Inmitten dieser Lobes-Rapsodie erscheint der Aufwand, den Omar und seine Mannen aufbrachten um diese Todgeburt von einem Album mit prallem Leben zu füllen, nebensächlich. Die Sound-Spuren, die der erste, verfluchte Ingenieur (dem es mittlerweile übrigens viel besser geht) hinterließ, waren bis zur beinah Unkenntlichkeit verwoben. Die Ruinen der Aufnahmen wurden durch seine Abwesenheit zu einem Puzzle. Es musste wiederhergestellt werden, was die Band zuvor aufgenommen hatte. Robert Carranza vergrub sich in der Technik, ja, er versank förmlich in dem Projekt und fokussierte die Produktion auf Drum Sounds. Lars Stalfors und Isaiah Abolin wurden auch noch dazugerufen, um zusammen mit Omar Licht in das Dunkel zu langer Songs zu werfen. Sie versklavten sich förmlich, um jeden einzelnen Track wiederzubeleben. Shawn Michael Sullivan und Claudius Mittendorfer taten im Musik-Schnitt ihr Bestes, um zu retten, was zu retten war. Sonst hätte die Band von vorn anfangen müssen. Der verlässlichste Volta-Mixer Rich Costey versuchte die Laune oben zu halten und half Omar , Goliaths Quantenverstrickung zu entwirren. Rick begriff die ganze Dimension des Fluchs aber erst, als verschiedene Drum-Tracks einfach verschwanden.

Die Tiefe der Verwirrung wird deutlich, wenn man weiß, dass Omar , bis dahin immer das Epizentrum des Kampfes, fast aufgegeben hätte. Jener Omar Rodriguez-Lopez, der nach Amsterdam gezogen ist und dort vier Kult-Solo-Alben eingespielt hat, während er gleichzeitig an ‘Amputechture’ und einem Soundtrack für den Jorge Hernandez Film ‘El Bufalo de la Noche’ arbeitete. Der gleiche Typ, der wahrscheinlich an einer DVD, seinem eigenen Film und ungefähr zehn neuen Alben arbeitet. Aber es gab Augenblicke während der Produktion von Bedlam, in dem seine schier unbeugsame, kreative Kraft auszutrocknen drohte. Und Sie können sicher sein, dass Goliath seine Finger im Spiel hatte.

Nachdem das Studio unter Wasser stand, verbot Omar, das Ouija-Brett auch nur zu erwähnen. Er fürchtete, dass allein die Nennung des Bretts fatale Folgen mit sich bringen würde. Trotz des Verbots blieb der Fluch über ihm hängen. Wachte er morgens nach nächtlichen Inspirationsschüben auf, stellte er verzweifelt fest, dass die gesamte Arbeit einer Nacht durch einen Stromausfall in seinem Loft ausgelöscht worden war. Die Produktion verwandelte sich in einen Alptraum. An manchen Tagen erschien ihm die Arbeit wie die des Sisyphus, so dass Omar zum Grab des Wahrsagers pilgerte, um sicherzugehen, dass er nicht exhumiert und somit reaktiviert worden ist.

Nun, da mir all die unfassbaren Herausforderungen bekannt sind, die mit der Produktion von ‘The Bedlam in Goliath’ einher gingen, ist meine Huldigung für Omars Produktion größer denn je. Mit dieser Platte erschuf er einen Meilenstein für die, die Komplexität und Ursprünglichkeit zusammenbringen können, wenn die Musikdramaturgie es verlangt. Es ist ein Album, das sowohl für 3:00-Uhr-morgens Kopfhörer-Fan als auch den 90-Meilen-pro-Stunde-auf-dem-Highway-Typen bei voller Dröhnung befriedigen wird. Das Album birgt beides, Kontrolle und Experimentierfreudigkeit. Für jeden Augenblick umständlich-verworrener Drum-Sounds, schillernder Bläserarrangements und heulender Gitarren gibt es Spielerisches; wie fricklige Basslinien am Ende von Ilyena oder eingefügte Sounds aus Jerusalem, Wechsel zwischen Demo- und Studioversion bei Askepios. Müsste man eine filmische Analogie nennen, würde mir nur Kubrick oder Fincher einfallen, die auf einem Tandem mit Bunuel oder Jodorowsky fahren.

Wenn ich es mir so recht überlege, könnte man ähnliche Analogien für das ganze Album finden. The Volta haben immer schon die Einflüsse des Surrealismus und des Films in ihre Arbeit eingebunden. In Relation zu Jodorowsky, verbindet das Album The Bedlam in Goliath die Besessenheit von Fando y Lis, den Betrug, Mordslust und Verehrung aus Santa Sangre, die weitreichende religiöse Vorstellungskraft aus Holy Mountain mit der Offenbarung und dem Schmerz von El Topo. Stellen Sie sich vor, man reichere diese Mixtur mit der Identitätskrise, dem Mind-Fuck von David Lynch´s merkwürdigsten Werken und Werner Herzogs Obsession an, mische ein Paar Tropfen Jonestown: The Life and Death of Peoples Temple, eine Prise Der Exorzist und Wenn die Gondeln Trauer Tragen, dann bekommen sie eine Vorstellung vom neuen Album der Mars Volta.

Was die Lyrics angeht, möchte ich nur so viel sagen: Seien Sie vorsichtig. Cedric Bixler-Zavala benutzt einfache, englische Wörter und spricht dennoch in einer ganz eigenen Sprache, wie Björk oder Ghostface Killah. Sollten Sie versuchen, die Bedeutung hinter seinen Worten, seine Obsession mit dem Grotesken und dem Heiligen zu erfassen, werden Sie verstehen, dass er einen Teppich mit der Präzision eines Spinnennetzes gewoben hat. Und ehe Sie sich versehen, sind Sie gefangen.

Je mehr Sie sich in die Geschichte fallen lassen, die in ihrer meta-fikitonalen Narrative große Ähnlichkeit mit Danielewski’s House Of Leaves birgt, indem sie sowohl die Sünde der Vergangenheit als auch die Begierde Goliaths die Ouija-Brett Nutzer zu besetzen, erzählt, umso mehr werden Sie seine Hinweise auf die Geschichte des Bretts und die unheimlichen Verbindungen zwischen den verschiedenen Ebenen verstehen. Sie werden die Verknüpfungen zwischen Stimmeffekten und Botschaften aus dem Jenseits verstehen. Sie werden fragen, warum sich die Geschichte plötzlich so sehr darauf konzentriert, Goliath in ihre Welt einzuladen. Bald werden Sie im Schatten zusammenzucken, Salz horten und weiße Kleidung tragen, Sie werden sich mit Charts und Grafiken und Statistiken umgeben, denn Sie suchen ein Muster, eine Lösung zu der Formel, Sie werden Ihre eigenen, primitiven Algorithmen sehen, wenn Sie dem Album zuhören und das Phantom bis in Ihr Knochenmark spüren. Sie werden anfangen zu hoffen, dass all die positiven Aspekte, die Cedric in den Songs versteckt hat, wie religiöse Referenzen, Gebete, Fabeln, versteckte Namen verehrter Schauspielerinnen mit Hinweisen auf deren Zyklus und vage Hinweise auf Vergebung, Ihnen helfen werden, Ihre Balance zwischen Gut und Böse wieder herzustellen, oder, bestenfalls, das Böse der aus der Dunkelheit geborenen Platte zu revidieren.

Sie müssen einfach Fragen stellen. Was inspirierte die tragische Dreiecksbeziehung? Wer hatte die Kontrolle über die Situation? Wer war Opfer, wer Täter? War irgendjemand unschuldig? Was geschah mit den Leichen? Wie wurden ihre unsterblichen Seelen im Wahrsager eingeschlossen? Und, sollten sie jemals ins Diesseits zurückkehren, was werden sie anrichten?

Die Antworten (und mehr) sind in dem Album verborgen, sie schenken jeder Ebene eines jeden Songs das Leben, seine Komplexität, seine Schwerkraft. Und je aufmerksamer Sie zuhören, desto weiter wird Ihre Reise in die Abgründe von ‘The Bedlam in Goliath’ gehen. Das audio-celluloid-afine Epos von The Mars Volta wird sich in seiner ganzen lärmenden und zwingenden Größe vor Ihnen entblättern.

Dieses Album ist das Echo einer- in voller Größe erblühten- um ihr Leben spielenden Band. Es besitzt solch seltsame Kräfte, dass ich zu behaupten wage, dass Goliath für immer in seinem Gefängnis begraben bleiben wird.

Versprochen!


Tracklist “The Bedlam In Goliath”:

01. Aberinkula
02. Metatro
03. Ilyena
04. Wax Simulacra
05. Goliath
06. Tourniquet Man
07. Cavalettas
08. Agadez
09. Askepios
10. Ouroboros
11. Soothsayer
12. Conjugal Burns

(Quelle: Universal Music Group)


FORMAT: CD


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