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CD-DETAILS FREMD IM EIGENEN LAND [FLER]

Fler

Fremd Im Eigenen Land [HipHop / Rap]


RELEASE: 25.01.2008


LABEL: Aggro Berlin

VERTRIEB: Universal


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FLER. Deutscha Bad Boy. Dummer Proll. Böser Junge. Nazi (Zäsur) Jäger. Nennt ihn, wie ihr wollt aber seid euch bewusst: er weiß, was er tut. Knapp drei Jahre nach dem großen Rummel um sein Debüt, macht FLER genau dort weiter, wo er mit "Neue Deutsche Welle" aufgehört hat. Auf dem vergleichsweise freundlichen Nachfolger "Trendsetter" ('06) stellte er vor allem seine Rap-Skills unter Beweis und bot damit selbst erbittertsten Kritikern eine kleine Verschnaufpause; mit seinem dritten Album läutet der geborene Berliner die Rückrunde ein und kehrt zum strittigen Kernthema zurück. Und er klingt dabei mächtiger und überzeugter denn je. Große Teile von "Fremd Im Eigenen Land" dienen FLER dazu, seine Identität als "Deutscha" so deutlich und einprägsam zu buchstabieren wie es seine afroamerikanischen Vorbilder mit Zuweisungen wie "Nigger" oder "Nigga" gemacht haben.

Bei dieser HipHop immanenten, auch als "Signifying" bekannten Praxis adaptiert man Gestus und Sprache einer verkrusteten wie verfeindeten Kultur, um sie mittels Ironie und Verfremdung aufzubrechen. Mit ihrer Aneignung bekommen Wörter und Worte eine neue, gegensätzliche Bedeutung zugewiesen. Als Ergebnis erstrahlt im besten Fall das, was z. B. zuvor schmutziger Ausdruck von Rassismus war, plötzlich im sauberen Glanz einer Selbst-Emanzipation. Das Schimpfwort der Sklaventreiber verliert so seinen alten Sinn und bekommt einen neuen als identitätsstiftender Code, der sich nur dem eigenen Kreis und Eingeweihten erschließt. Ähnliches gab es in Deutschland bislang höchstens bei selbst ernannten "Kanacken" zu beobachten, die damit der bunten Multikulti-Fratze die gefletschten Zähnen zeigten. Doch dann kam FLER und brachte den Sumpf zum Brodeln.

"Ich bin Deutscha, auch wenn es niemand versteht..."

Wenn FLER sagt, dass er die Waffen der Gegner nimmt, um sie für sich zu nutzen, meint er genau das - er schnappt sich z. B. das Gerede vom "Stolz ein Deutscher zu sein", um es in seinem Umfeld entgegen allen ursprünglichen Intentionen zu positionieren. Während seine "Ausländer-Jungs" andere Deutsche nicht nur in ihrem Ringen um eine nationale Identität gern als Opfer beschimpfen, bekommt FLER von ihnen Respekt - Respekt und sonst nix. Hier beschwert sich keiner oder fabuliert von einer HipHop-Rechten, hier wird sein "Stolz" als das erkannt, was er ist - als ein Tritt in die Weichteile der breitbeinig aufgestellten Nationalchauvinisten, als seine Antwort auf die Versuche einer Ausgrenzung von allem, was im Sinne der Reaktionären nicht deutsch sein darf. Gleichzeitig macht sich FLER gemein mit seinen Jungs und erklärt folgerichtig, "fremd im eigenen Land" zu sein. Allen Unterstellungen, Missverständnissen und Verdächtigungen zum Trotz will er das Spielfeld nicht den Falschen überlassen: "Wenn wir in Deutschland ein Problem mit Nazis haben - und das haben wir ja wohl - dann sollte man mal überlegen, ob ich nicht gerade eine Alternative zu einem Dasein als Nazi biete..."

Diesen Punkt nahezu unerträglich deutlich machend, bedient sich FLER auf seinem dritten Album des Bildes vom blonden, blauäugigen Übermenschen, um es ironisch im Zerrspiegel seiner Realität als tätowierte Ghetto-Type mit entsprechendem Background zu reflektieren. Indogermanische Wunschbilder zersetzen sich hier am schmutzigen Rand einer Gesellschaft von Entwurzelten. Was bleibt, ist der Spaß am Spiel mit der Identität. Wer das nicht wahr haben will, versäumt wahrscheinlich am Ende eine ganze Generation von Künstlern, die ihre graue Realität in brennende Raps verwandeln.

"Ich will es gar nicht allen recht machen, ich konzentriere mich auf die Ghetto-Leute," sprudelt es fast trotzig aus FLER heraus - aber das ist eben auch nur ein weiterer Grund, warum es sich lohnt, seinen Raps zu folgen. Wie nur ein paar wenige große Kollegen im Game skizziert er mit wenigen Worten detailreiche Bilder, die gerade durch ihren "Negative Space", durch ihre Auslassungen und das, was sie nicht explizit zeigen/sagen, ihre eigentliche Größe erhalten. Ein gutes Beispiel auf "Fremd Im Eigenen Land" ist "Warum bist du so?", eine Ode an einen verstorbenen Freund und heldenhaften Aktivisten des Berliner HipHops, bei der FLER darauf verzichtet den Namen zu nennen (es handelt sich um den legendären Maxim alias Atilla Murat Aydin, der 2003 bei einer Meinungsverschiedenheit mit einem Rentner getötet wurde) - die Betonung durch das Ungenannte zeugt zudem von einer merkwürdigen Intimität und Zurückhaltung, die sich FLER als "Deutscha Bad Boy" nur selten erlaubt. Im Rap gibt es nur wenig Platz für Besinnlichkeit ...

Selbst AGGRO BERLIN bekennt, dass keiner ihrer Künstler HipHop mehr lebt, atmet, repräsentiert, kurz, dass keiner mehr HipHop IST als FLER. Nach einer Jugend in der Psychiatrie und im Heim startet seine Karriere früh als Sprayer, zum Rap kommt er relativ spät, 2002 als Zwanzigjähriger. Dann geht es jedoch Schlag auf Schlag. Unter dem Pseudonym Jack White macht er seinen Freund Bushido groß, von dem er sich trotz ihrer gemeinsamen Erfolge menschlich enttäuscht abwendet, um fortan solo durchzustarten. Ende 2003 unterschreibt FLER als bis dato jüngstes Familienmitglied bei AGGRO BERLIN.

Neben seinen regulären Top Ten-Alben zeigen drei Mixtapes, unzähligen Radio-Shows und über 30 Features, dass FLER nicht nur einer der produktivsten und erfolgreichsten Aktivisten ist, sondern darüber hinaus ein regelrecht Getriebener des HipHops. In der Diktion des Privatfernsehens verdient sein Kunst die Dopplung, denn sein Rap-Rap zeigt, dass die Realität manchmal größer und vor allem interessanter als jeder Spielfilm-Spielfilm ist. Scheiß auf Hollywood, hier kommt das Doku-Drama! Und wenn FLER mit glänzenden Augen vom letzten gelungenen Wochenende erzählt, irgendwo im ranzigen Wasteland Berlins, wo er sich mit zwei Freunden auf einem kleinen Jam amüsiert hat, greift er zu seinem eigenen Superlativ: "Das war Ghetto," resümiert er dann zufrieden nickend. Das bleibt die Referenz. Eine alte HipHop-Weisheit besagt, dass man den Jungen aus dem Ghetto, aber das Ghetto nicht aus dem Jungen holen kann. Mit "Fremd Im Eigenen Land" beweist FLER erneut, dass man das nicht nur als Stigma verstehen muss sondern auch als Vorteil nutzen kann.

Und nicht vergessen: Fler scheißt auf Nazis und fickt die NPD!

(Quelle: Universal Music Group, 2008)


FORMAT: CD


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