“Wenn man sich all diese Bands ansieht, die sich ständig wiedervereinen, bemerkt man, dass an ihnen etwas Armseliges zu finden ist“
Skin, die ikonenhafte, kahlrasierte Sängerin von Skunk Anansie betrachtet Reunions, die so viele Bands in den letzten Jahren gefeiert haben, als sehr fragwürdig. Für die Reunion ihrer eigenen Band hat sie aber ein ehrliches Statement parat, das die Beweggründe der Wiedervereinigung erklärt. „Es scheint, dass die Leute diese Dinge des Geldes wegen tun. Wir können nicht so denken, denn sonst wären wir nicht fähig das zu tun, was wir machen. Es wäre Betrug und ich bin zu egoistisch um mich selbst zu betrügen. Was würde das für einen Sinn machen? Wir sehen es als Anfang einer neuen Band. Älter, klüger, aber ohne dabei unbedingt älter auszusehen!”
Optisch betrachtet haben sich Skin, Cass, Ace und Mark tatsächlich kaum verändert, seitdem sie sich 2001, nach einer 6-jährigen Karriere, in der sie zu einer der größten und gleichzeitig kontroversesten britischen Bands heranwuchsen, trennten. Ihr Comeback ist laut Schlagzeuger Mark Richardson, begründet in „unvollendeter Arbeit“, der Auslöser wiederum war eine von ihrem Label One Little Indian vorgeschlagene Greatest Hits- Veröffentlichung im Jahr 2008.
„Wir wussten, dass das Thema auf dem Tisch war und dass es das Label mit oder ohne uns machen konnte, deshalb brachten wir es zur Diskussion. Skunk war immer geprägt von Energie und Aufregung und wir stellten fest, dass wir diese Elemente noch immer in uns trugen. So kam zu diesem Zeitpunkt eins zum anderen“, erklärt Skin. Ein nicht groß angelegter Gig auf Lamu, vor Kenyas Küste, am 29. Januar 2009 goss noch mehr Öl ins Feuer und gab der Band die Gelegenheit, gemeinsam zu proben, zu reisen und eine Woche auf der afrikanischen Insel zu verbringen, um ihre Freundschaft wiederzubeleben. “Als wir ankamen, mussten wir erstmal laut loslachen”, sagt Gitarrist Ace. „Wir mussten daran denken wie viele lustige Sachen wir früher zusammen erlebten. Und da war eine ernsthafte Begeisterung für das, was wir machten.“
Zurück in London waren die vier von der Idee besessen, gemeinsam neues Material aufzunehmen. Es folgte ein Monat intensiven Songwritings, aus dem ein großes Repertoire neuer Tracks hervorging. “Ich glaube nicht, dass einer von uns erwartet hätte, dass das Greatest Hits-Album und die Greatest Hits-Tour besonders aufregend werden”, gibt Skin zu. „Uns war klar, dass wir mit neuen Songs kommen mussten, um es auch für uns interessant zu gestalten.“
“Um ehrlich zu sein: wir halten nicht mehr viel von den Songwriting-Standards, die wir früher benutzt haben”, fügt Mark hinzu. “Ich denke wir haben uns als Komponisten alle verbessert und merken schnell, ob ein Song funktioniert oder nicht.“ Nur „einer von fünf“ Songs hat die selbstkritische Prüfung der Band bestanden. Das Ergebnis ist, dass die drei neuen Songs ‚Tear The Place Up’, ‚Because Of You’ und ‚Squander’ zu dem Greatest Hits- Paket ‚Smashes and Trashes’ hinzugefügt wurden – allesamt gewaltige Nummern, die gut zu Titeln wie ‚Hedonism’, ‚Selling Jesus’, ‚Weak’, ‚Secretly’ und ‚Charly Big Potato’ passen (die persönlichen Top 5 Songs der Band). „Die neuen Songs unterstreichen die Vorzüge der Band: gute Texte, gute Refrains, gute Technik und auch ein bisschen was Verrücktes“, sagt Skin über das kürzlich geschriebene Material. „Das ist der Unterschied zwischen der Reunion einer Band und dem was wir tun“, ergänzt Bassist Cass. „Die meisten Bands, die sich wieder zusammentun, schachern mit der Vergangenheit. Für uns ist das vielleicht der Ausgangspunkt, aber längst noch nicht alles. Uns interessiert vor allem die Zukunft da draußen.“
Trotz der zukunftsorientierten Vision der Band reflektiert ‚Smashes and Trashes’ vor allem die Vergangenheit der Band. Die Mehrheit der Tracks sind von den Alben ‚Paranoid And Sunburnt’, ‚Stooch’ und ‚Post-Orgasmic Chill’ – drei Alben die sich weltweit mehr als vier Millionen Mal verkauften. Bezeichnenderweise haben die vier ihren Fokus aber bereits auf das nächste Album gesetzt. „Es ist schwer zu sagen, was es werden wird, aber wir haben schon die Hälfte davon geschrieben“, sagt Skin. „Es wird starke Pop-Elemente geben, aber noch immer Funken sprühen und laut sein.“ „Es wird definitiv richtig verrücktes Zeug auf der Platte zu finden sein, weil das der Stil ist, in dem wir schreiben“, fügt Ace bei. „Da gibt es ein paar gute Songs, die leichter ins Ohr gehen und das sind dann oft die Singles. Aber da gibt es auch diese eingebaute Fremdartigkeit, in dem was wir machen - das haben wir uns mittlerweile eintrainiert. Für mich ist es genau das, was die Band im Wesentlichen definiert.“
Skunk Anansie’s nächstes Studioalbum ist für Mitte 2010 angesetzt. Aber zuerst einmal gibt es da diese kleine Hürde der weltweiten Tour, um wirklich die Rückkehr der Band anzukündigen. Live-Auftritte liegen natürlich in Skunk Anansie’s Natur – zu den besten Live-Darbietungen der Band zählen der Auftritt in Glastonbury (1999) zu Ehren Nelson Mandelas 80. Geburtstag sowie eine Show vor dem Dalai Lama. Dieses Mal folgt die Tour auf zwei lebensbejahende Performances im Londoner Water Rats Theater, das nur 220 Leute fassen kann. An diesem Ort spielten sie auch 1994 ihren ersten Gig und kehrten am 2. und 3. April 2009 dorthin zurück, um unter dem Pseudonym S.C.A.M. zwei geheime Shows zu spielen.
Fast ein Jahrzehnt ist es her, dass die Band gemeinsam auf der Bühne stand – dementsprechend hat sich auch das musikalische Klima verändert.
“Als wir das erste Mal die Bühne betraten, waren alle verrückt nach Britpop – Oasis, Blur und solche Leute. Wir passten da überhaupt nicht rein und rückblickend sehe ich auch nicht ein, warum wir jetzt reinpassen sollten“, sagt Skin. „Niemand klang so richtig nach uns seit wir von der Bildfläche verschwunden sind. Aber wir genießen es Außenseiter zu sein. Das ist eine gute Position. Ich glaube auch, dass die Leute wieder bereit sind für ein bisschen klangvolleren, mitten-ins-Gesicht Rock. Ich sehe uns in Konkurrenz mit jeder Band da draußen stehen und ich denke, dass wir jetzt besser sind als jemals zuvor. Wenn wir nicht so fühlen würden, wäre das traurig und pathetisch. Und, wie ich bereits gesagt habe, für so etwas hätte ich keine Zeit.“
Skunk Anansie 2009. Eher wiedergeboren als wiedervereinigt.
