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2010. Wir schreiben das Jahr des Tigers. Es ist auch das chinesische Tierkreiszeichen, unter dem Gentleman geboren ist. Tiger gelten als sensibel, mutig und führungsstark. Tatsächlich sind dies alles Eigenschaften, die Deutschlands bekanntesten Reggaemusiker dahin gebracht haben, wo er heute steht. Der gerade mal 35-jährige gilt als unermüdlicher Botschafter des Reggae, hat er diesem Genre doch mit meisterlichen Alben wie „Journey To Jah“ und „Confidence“ ein neues, unverkennbares Profil und jene zeitgenössische Relevanz verliehen, die dieses Genre hierzulande seit Bob Marley nicht mehr gehabt hat. Mehr noch, Gentleman ist längst weit über unsere Landesgrenzen hinaus zum international gefeierten Star avanciert. In etlichen europäischen Ländern, in Südamerika, in Afrika und selbst in den USA ist er eine anerkannte Größe, allerorten schätzt man sein Bühnencharisma und seine prächtigen Reggaehymnen. Consciousness, Righteousness and Tolerance.
„Diversity“ heißt sein nunmehr fünftes Studioalbum, was er in erster Linie als eine musikalische Herausforderung an sich selbst, aber auch an die Erwartungshaltung seiner Fans verstanden wissen will. Es gibt nicht viele deutsche Musiker, die so verwurzelt sind im Roots-Reggae, aber Gentleman kann auch im Dancehall explodieren, als gäbe es kein Morgen. Auf seinem neuen Album findet man eine Vielfalt stilistischer Ausrichtungen, Texturen und Kollaborationen. „Ich hatte diesmal gar keine Berührungsängste und kein Problem, mich als roten Faden zu sehen“, erklärt Gentleman, der mit ebenso viel kreativem Heißhunger wie Mut zur reflexiven Selbstkritik an das neue Werk herangegangen ist. „Das Feuer, das man als Newcomer hat, das hält nicht lange an. Es geht dann um die Glut, die man schüren muss, die hat viel mehr Kraft. Ich verspüre riesige Lust, wieder richtig anzugreifen.“
Gentleman hat sich stark gemacht, neu sortiert und frisch justiert. Der Sänger hat einen neuen Plattenvertrag, der es ihm auch ermöglicht, das neue Album gleich mal zu einem Opus Magnum zu machen. Bereits die Standard-CD wartet mit sage und schreibe 19 Songs auf, die alle Formen und Farben des Reggaes ausreizen. Auf der 28-Track-Deluxe-Edition gibt es noch mal einen Schwung Tracks extra und als Download hält Gentleman auch noch ein paar Delikatessen bereit. Vierfach-Vinyl und ein opulentes Box-Set machen das Glück für jeden Sammler perfekt. Auch sein musikalisches Umfeld ist nicht mehr das gleiche. Seine Begleitband heißt nunmehr Evolution. Deren Besetzung ist zwar weitgehend mit der seiner Far East Band identisch, aber nun an einigen Schaltstellen neu besetzt, um wieder mit jener Leidenschaft ans Werk gehen zu können, die Gentleman für eine imposante Bühnenshow einfordert. Er selbst will brennen und die Band soll jederzeit auf Höchsttemperatur sein.
„Diversity“ lautet die Marschrichtung, die alle stilistischen Optionen offen hält und analogen wie digitalen Aufnahmen denselben Stellenwert einräumt. Auffällig ist zunächst die Vielzahl wunderschöner Melodien – beste Indizien für eine kreative Hochphase. Gleich die erste Single, „It No Pretty“, auf der Gentleman mit seiner Gesellschaftskritik, die sich durch das gesamte Album zieht, nicht hinter dem Berg hält, ist ein in warmen Molltönen gekleidetes Midtempo-Juwel mit Piano, Streichern und Chören. Von diesem Kaliber gibt es gleich mehrere Kandidaten, bei denen man durchaus von potentiellen Singles sprechen darf. „Lonely Days“ gehört da ebenso zu wie der sanft wiegende Opener „The Reason“ (produziert von der Irievibration-Posse aus Österreich) und, nicht minder großartig, die von Don Corleone superb produzierten „Time Like Now“, „Changes“ und „Fast Forward“. In Corleones Studio in Kingston sind gut ein Drittel der Tracks produziert worden. Wann immer nötig, sorgte die Firehouse Crew für maßgeschneidert kernigen Bandsound. Zu der Riege bewährter Produzenten gehören Benny Blanco und Pow Pow aus Köln, Silly Walks aus Hamburg, Red Roze, Shane Brown und Xterminator aus Jamaika sowie Massive B aus New York.
Manche Songs gehen einem gleich unter die Haut. Die sehnsuchtsvolle Akustikballade „I Got To Go“ etwa, ein offener Liebesbrief an die Familie, oder „Thinking About You“, das hinreißende Duett mit der Soulsängerin Cassandra Steen, die seit ihren Tagen bei Glashaus zum Solostar aufgestiegen ist. Dieser nahezu lupenreine R&B-Song spricht Bände für den emotionalen Tiefgang, mit dem Gentleman Seelenzustände auszuloten weiß. Ein anderer weiblicher Star ist Tanya Stephens, eine der First Ladies der jamaikanischen Reggaeszene und „eine unfassbar kreative Songtexterin“, so Gentleman. Mit Tanya war er schon vor Jahren mit einem Soundsystem durch Deutschland getourt. Jetzt hat sich endlich mal die Gelegenheit zu einer gemeinsamen Aufnahme ergeben. „Another Melody“ funkelt denn auch wie ein Diamant auf dem ohnehin prachtvoll besetzten Reggae-Diadem. Die innigste musikalische Liebeserklärung, „Everlasting Love“, gewidmet seiner Frau Tamika, hat er sich für den krönenden Schluss des Albums aufbewahrt.
Faszinierend ist es, wie es Gentleman gelingt, auf seinem Album einmal mehr ganze Reggae-Generationen zu vereinen. Da ist einerseits der blutjunge Christopher Martin, der als Sieger der Fernsehpremiere von „Jamaica’s Rising Star“ für Furore gesorgt hat. Mit dem 22-jährigen Shooting Star, dessen markantes Falsett an Michael Jackson erinnert und der von Shaggy unter die Fittiche genommen wurde, hat Gentleman „No Turning Back“ aufgenommen. Die stilistisch wohl modernste Nummer des ganzen Albums prescht mit einem ungewohnt feschen Euro-Dance-Beat heran und bildet einen krassen Gegensatz zu „Good Old Days“, dem wohl klassischsten Roots-Song auf „Diversity“.
Für diesen an einen Trojan-Records-Evergreen erinnernden Song konnte Gentleman keinen Geringeren gewinnen als Sugar Minott, den 53-jährigen Studio-1-Veteran und Dancehall-Pionier, der dem Album einen weisen Hauch schimmernder Patina verleiht.
Apropos Dancehall. Gentleman benutzt in Tracks wie „The Finish Line“ und dem von Xterminator produzierten „The Sealing“ durchaus auch mal Auto-Tune und HipHop-Beats und offenbart hier einen bewusst auf ein junges Publikum zugeschnittenen Style. Richtig in den Punch geht es auch auf „No Time To Play“, Gentlemans Debüt beim New Yorker Massive B Soundsystem. Einmal mehr bewundern kann man den präzisen Beat und die ungebrochene Experimentierlust der Schlagzeugkoryphäe Sly Dunbar auf „Tempolution“. Produziert wurde diese Neuauflage des Dancehall-Krachers „Tempo“ von Red Roze persönlich – schließlich ist das Original das Filetstück seiner Karriere, das nun in frischem Glanz erstrahlt. Und so wie überhaupt vieles auf Jamaika spontan aus der Situation heraus entsteht, kam es für „Shut Eye Country“ schließlich auch zum kreativen Gipfeltreffen von Jack Radics, Gentleman und Luciano, fürwahr drei Brüder im Geiste.
Eine längst überfällige Kollaboration, die erst jetzt nach einer zufälligen Begegnung auf Jamaika zustande kam, ist „Along The Way“ mit Patrice. Million Stylez aus Schweden hingegen, der bei dem von Pow Pow wohltemperiert mediterran produzierten „Help“ für einen Schwung positiver Vibes sorgt, hatte bei Gentleman in Köln seine Aufwartung gemacht. Da zeigt es sich, ebenso wie bei „Intensions“ unter der Mitwirkung von Rebellion The Recaller aus Gambia, dass der offene Blick, mit dem Gentleman seit Jahren durch die Weltgeschichte reist, immer wieder neue Früchte trägt.
Gentleman hat sich im Verlauf der letzten Jahre nicht nur in seiner zweiten Heimat Jamaika ein in dieser Form wohl einmaliges Netzwerk aufgebaut. War Präsenz vor einigen Jahren noch unabdingbar, so ist der kreative Dialog zwischen Köln und Kingston längst von einer fruchtbaren Kontinuität geprägt. Der konstante Austausch mit den beiden Musikern und langjährigen Freunden Daddy Rings und Jack Radics hat seine Sternstunden, wenn im verbalen Schlagabtausch mit die besten Lyrics für Gentleman entstehen. Constant flow. So könnte man auch die Zusammenarbeit mit dem Produzenten Don Corleone bezeichnen, der auch dank des Internets stets am Ball blieb. Gleichwohl steht Gentleman der Web-2.0-Euphorie und anderen Phänomenen unseres globalisierten Zeitalters eher kritisch gegenüber.
Dementsprechend spiegelt sich in seinen Songtexten der desaströse Zustand unserer Lebensumstände im 21. Jahrhundert wider: eine vor lauter Religionskriegen immer gottloser wirkende Welt, die durch Menschenhand immer dramatischer zerstörte Umwelt, Millionen von Menschen, die hungern oder auf der Flucht sind, der Rückzug in künstliche Welten. Dem stellt Gentleman den nachdrücklichen Wunsch nach mehr Toleranz, Solidarität und Nächstenliebe gegenüber. Ein nimmermüder Idealist, der an das Gute im Menschen glaubt und dem Spiritualität und Liebe die Triebfedern für sein Schaffen bilden. Oft, so hofft er, genügen nur wenige Textzeilen, um hellhörig zu machen, wachzurütteln und Veränderung zu bewirken. Die fehlende Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Lebensentwürfen ist für ihn der Punkt, an dem sich die meisten Konflikte entzünden. Gentleman verkörpert hingegen Güte und Sanftmut – diese sind seine stärkste Waffe, aber auch sein wunder Punkt.
„Diversity“ ist ein schillerndes Vexierspiel mit den Möglichkeiten des Reggaes, der in diesem Formenreichtum nicht mehr viel gemein hat mit den noch immer herrschenden Klischees des Sunshine-Reggaes. An seinem bisherigen Arbeitsprinzip, das in dieser Kontinente umspannenden Form einmalig ist, hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Basis aller Songs sind nach wie vor die Riddims, die Gentleman zum Teil in seinem eigenen Studio digital vorproduziert, zum anderen in stundenlangen Listening-Sessions in jamaikanischen Studios auswählt und mit seinem untrüglichen Gespür für großartige und galante Melodien adaptiert. „Diversity“ ist bei allem Spaß und all der Freude, die die Songs vermitteln, geprägt von großer Ernsthaftigkeit. Das von Starphotograph Olaf Heine für das Cover des Albums geschossene Porträt von Gentleman veranschaulicht das sehr gut. Durchzogen von herbstgefärbten Bäumen, symbolisiert das in einer Doppelbelichtung ikonisch gestaltete Konterfei die weite Verzweigung, die tiefe Verwurzelung einer Kunst im Wandlungsprozess. Gentleman setzt auf Veränderung, Fortschritt und Vielfalt. Diversity rules!
Gentleman live - Tourdates 2010 - 28.04. Germany, Hamburg -Docks (verschoben vom 27.4.)
- 30.04. Poland, Warszawa – Stodola
- 01.05. Poland, Poznan – Arena
- 02.05. Germany, Erfurt – Thüringenhalle
- 05.05. Germany, Saarbrücken - Garage
- 06.05. Germany, Köln – Palladium
- 07.05. Germany, Bremen – Pier 2 (verschoben vom 16.04.)
- 13.05. France, Bulligny – Festival JDM
- 14.05. France, Nice – Théatre de Verdure
- 15.05. France, La Seyne sur Mer – Festival Couleurs Urbaine
- 18.05. France, Paris – Bataclan
- 20.05. Spain, Sevilla – Territorios Festival
- 22.05. Germany, Bielefeld – Ringlokschuppen (verschoben vom 17.04.)
- 25.05. Switzerland, Zürich – Maaghalle (verschoben vom 20.04)
- 26.05. Austria, Vienna – Gasometer (verschoben vom 25.04.)
- 28.05. Germany, Kiel – Halle 400
- 29.05. Germany, Berlin – Columbiahalle (verschoben vom 28.04.)
- 30.05. Germany, Munich – Zenith (verschoben vom 24.04.)
(Quelle: Alexandra Doerrie, Another Dimension, 2010)
FORMAT: Doppel-CD
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