„Wir wollen nicht einfach nur eine Fußnote in der Musikgeschichte sein”, sagt Brian Fallon von The Gaslight Anthem.“We want to be The Ones, y’know?”
Ein ehrgeiziges Ziel. Aber mit AMERICAN SLANG machen The Gaslight Anthem einen großen Sprung auf eben dieses Ziel zu. Die Band aus New Jersey legt nunmehr ihr drittes Album vor: kraftvoller Rock’n’Roll, entstanden und feingeschliffen während der vergangenen zwei fast ununterbrochen auf Tour verbrachten Jahre. Der leidenschaftliche und poetische Sänger und Gitarrist Fallon ist hier persönlicher und in sich gekehrter als zuvor, sein heiser intonierter Gesang klingt voluminöser vor dem Hintergrund der pulsierend dynamischen Kraft der Band. Songs wie „Bring It On”, „Orphans” und der mitreißende Titelsong brennen und lodern, angefeuert vom Spirit des Soul, der Energie des Punk.
AMERICAN SLANG ist der Schlachtruf einer großartigen Band, die hier ihre eigene Stimme findet und sie nutzt, um damit weltweit auf sich aufmerksam zu machen.
„Dieses Album klingt mehr nach dem, was und wie wir sind”, erklärt Gitarrist Alex Rosamilia. „Es ist etwas dunkler, etwas trauriger. Und dennoch ist es eindeutig immer noch hymnisch und wird uns gerecht – die älteren Songs klangen triumphierender; jetzt ist es eher so: ja, wir haben gewonnen, aber es gab auch Opfer.”
The Gaslight Anthem, Angehörige des Punk-Underground von New Brunswick, schlugen 2007 mit ihrem energiegeladenen Debütalbum SINK OR SWIM (XOXO Records) wie eine Bombe ein. Anfang 2008 folgte die EP SEÑOR AND THE QUEEN (Sabot Productions) – ein erster ambitionierter Vorgeschmack auf das beeindruckende Debütalbum für SideOneDummy Records, THE ’59 SOUND.
Mit seinem Amalgam aus klassischem Rock, Soul und Punk-Power gelang der Band sofort eine Sensation, die bei Publikum und Kritikern gleichermaßen auf Begeisterung stieß. Die New York Times lobt das „reichhaltige, glänzende Songwriting” und die „straffen Punk-Arrangements” ebenso wie Fallons „Art, Geschichten zu erzählen: alltägliche Beobachtungen, detailreich seziert, die in ihrer unterkühlten Verzweiflung an den Springsteen der späten 70er erinnern.”
THE ’59 SOUND war auch diesseits des Atlantiks ein großer Erfolg: The Gaslight Anthem waren die erste amerikanische Band, die jemals das Cover des englischen Musikmagazins Kerrang! zieren durfte, ohne vorherige inhaltliche Berichterstattung. Die sonst schwer zu beeindruckende englische Musikpresse war nahezu ekstatisch; das Album wurde in zahlreichen Jahresbestlisten genannt, etwa bei Q, Rocksound und NME, die urteilten, dies sei „nicht nur ein essentielles Dokument des Punk-Rock-Soul sondern ein Album, das noch in ferner Zukunft bestand haben wird.”
An die 200 Konzerte pro Jahr in dicht gedrängten Clubs der USA, Europas und Australiens steckten ihnen in den Knochen, als sich Gaslight Anthem im Jahr 2008 wieder ins Vergnügen stürzten. Die Band trat als Headliner ausverkaufter Konzerte in aller Welt auf und teilte sich die Bühne mit einer ganzen Reihe gleichgesinnter Künstler wie Social Distortion, Rise Against, Against Me! und den bereits erwähnten Bruce Springsteen, der die Band beim Glastonbury Festival 2009 und dem Hard Rock Calling in Londons Hyde Park bei ihrer Version von „The ’59 Sound” begleitete. Und Fallon revanchierte sich, als er bei der phantastischen Interpretation des Springsteen-Klassikers „No Surrender” bei der E Street Band einstieg.
„Als ich da oben stand, dachte ich, ‘Hilfe, ich stehe mit meinem großen Helden auf einer Bühne”, erinnert sich Fallon. „Gleichzeitig schoss es mir durch den Kopf, ‘Mein Gott, das müssen wir doch auch im Alleingang hinkriegen’. Das ist doch der springende Punkt, du musst dir deinen eigenen Platz schaffen. Als mir das einmal klar war, wusste ich, wir legen los und kriegen das dann schon hin.”
The Gaslight Anthem kehrten im November 2009 in ihre Heimat zurück and legten erst einmal eine wohlverdiente Pause von einen Monat ein, bevor sie sich wieder ans Werk machten. Die Band hatte ihre Heimatstadt New Brunswick inzwischen verlassen: Rosamilia hatte es nach Hoboken gezogen, Schlagzeuger Ben Horowitz nach Jersey City und Bassist Alex Levine nach Budd Lake, New Jersey. Fallon war vom Garden State ins nicht weit entfernte Brooklyn übergesiedelt. Seine alte Heimat zu verlassen, war ein bedeutender Schritt für Fallon, der zwischen seiner alten Geschichte und seinem neuen Leben Platz schaffen musste, um wieder schreiben zu können.
„Mein ganzes Leben habe ich damit verbracht, in einer Band zu sein, mit dieser Erfolg zu haben, und zu versuchen, damit Karriere zu machen”, reflektiert er. „Als das endlich vollbracht war, blieb am Ende nur noch ich selbst übrig und ich merkte, dass ich mich um so einiges in all den Jahren nicht gekümmert hatte. Darum ist die neue Scheibe wohl auch so persönlich. Denn alles, was mir blieb, war nicht der Traum von einer Band, sondern nur ich selbst.”
Zu ersten Arbeits-Sessions traf sich die Band in Parlin, New Jersey, im Keller ihres langjährigen Freundes Kyle Roggendorf. Die ersten richtigen Proben begannen im Januar und im folgenden Monat ging es zu den Aufnahmen ins Magic Shop Studio in New York, wo mit dem Produzenten Ted Hutt und dem Toningenieur Ryan Mall genau dieselben an den Reglern saßen wie bei THE ’59 SOUND. Die Zeit, die sie mit intensivem Üben verbracht hatte, ermöglichte es der Band, den Großteil von AMERICAN SLANG in einem kurzen, aber heftigen Kraftakt an Kreativität einzuspielen.
„In zwei Monaten haben wir eigentlich das Wesentliche auf den Weg gebracht”, so Fallon. „Als wir dann ins Studio gingen, spielten wir schlicht und einfach besser und waren zu einer noch besser eingespielten Band avanciert. Wir stürmten das Studio wie eine Bühne… ‘Alright! Here it is! Bam!’”
Inspiration holte man sich diesmal in ungewöhnlicher Gestalt von Klassikern des britischen Blues-Rock wie den frühen Fleetwood Mac sowie Van Morrison, Rolling Stones und Derek & The Dominos, die als Musen für ihre musikalischen Muskelspiele und ihre offenen Worte dienten. Fallon profitierte auch von Claptons klugen Einsichten, die der Gitarrengott in seiner Autobiographie zum Besten gibt.
„Seiner Ansicht nach muss man vor allem seriös sein”, erklärt Fallon. „Man soll gescheit spielen und man soll wirklich gut sein. ‘Ok, Eric Clapton’, habe ich mir gesagt, ‘Ich werde sehr gut sein.’ Und so habe ich angefangen, richtig Gitarre spielen zu lernen.”
Indem sie insgesamt musikalisch besser wurden, wuchs bei der Band auch der Mut, auf Arten und Weisen zu experimentieren, die ihnen vorher vielleicht nicht in den Sinn gekommen wären. AMERICAN SLANG lebt von diesen ausgefeilten Entdeckungsreisen, darunter das ausladende und rhythmische „The Queen of Lower Chelsea”, das Rosamilia als „unsere Raga-Version von ‘Straight To Hell’” beschreibt.
„Wir haben versucht, etwas anders zu sein”, sagt der Gitarrist, „aber uns trotzdem nicht zu verirren.
Der Band war es wichtig, ihren Inspirationsquellen treu zu bleiben ohne sich von ihnen übermäßig bestimmen zu lassen.
„Wir mussten herausfinden, was wir machen”, sagt Fallon. „Was haben wir zu sagen? Was unterscheidet uns von allen anderen? Mit diesem Album haben wir, kurz gesagt, hart daran gearbeitet, herauszufinden, was uns ausmacht.”
Was die Liebe der Band zu Soul und klassischer Rockmusik betrifft, legt AMERICAN SLANG noch einmal eine ordentliche Schippe drauf, der Banner des Hardcore wird jedoch nach wie vor hochgehalten. Songs wie „Bring It On” und „Orphans” liefern schlagfertige Antworten auf so gewagte Fragen wie, ‘Was wäre, wenn die Rolling Stones mit der halsbrecherischen Energie von den Stiff Little Fingers spielen würden?‘
„Wir sind noch immer Punks”, betont Rosamilia. „Wir hassen jede Art von Bevormundung. Wir haben uns auch nicht großartig verändert, es fällt uns nur leichter, es viel besser klingen zu lassen. Wenn wir nur die Zeit und das Geld gehabt hätten, könnte auch ‘SINK OR SWIM’ in etwa so klingen.”
Der ergreifende Titelsong, der mit der bitteren Erkenntnis „when it was over/I woke up alone“ aufwartet, diente Fallon beim Songwriting als eine Art Grundsatzerklärung. Auch wenn seine Songtexte nach wie vor von fein gezeichneten Charakteren bevölkert sind – man schaue nur auf das von High Fidelity inspirierte „Stay Lucky” – insgesamt sind die Songs doch selbstbezogener und einfach prägnanter.
„Bislang habe ich viel dem Bereich der Phantasie überlassen“, bemerkt Fallon. „Ich benutzte Bilder und Ablenkungsmanöver, um meinen Punkt klarzumachen. Diesmal ging es mir darum, zu erzählen, wie es wirklich ist. Ich gewähre quasi Einblicke: Dies ist meine Welt und so schaut es bei mir aus.“
Auf AMERICAN SLANG sind eine Reihe von Freunden der Band in Cameo-Auftritten zu hören, darunter Jesse Malin, Brian Kienlen und Pete Steinkopf von den Bouncing Souls, Dave Franklin von Vision sowie Tommy Gunn von Communication Redlight. Die Band, die von einem großen Gemeinschaftssinn geprägt ist, hat auf ihrem Album auch eine Hommage an ihre Punk-Roots in Jersey aufgenommen. Der New-Wave-Soul-Shaker „The Diamond Church Street Choir” ist ein Tribut an ihrem alten Kumpel Andy Diamond, Booker ihrer allerersten Gigs im berühmten Court Tavern in New Brunswick.
„Wir sind alle von New Brunswick weggezogen, keiner von uns lebt mehr dort”, so Fallon, „aber egal, wohin wir gehen, wir schleppen das mit. Dieses Heimatgefühl bleibt in unserem Herzen.“
Mit einer erstaunlichen Bandbreite und mit unmissverständlicher Wucht legen The Gaslight Anthem mit AMERICAN SLANG alles in die Waagschale, was sie nur vermögen. Sich bereits so viele Träume erfüllt zu haben, hat die grenzenlosen Ambitionen der Band nur noch angestachelt.
„Wir haben jetzt die Möglichkeit zu sehen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind“, sagt Fallon abschließend. „Solche Chancen haben nicht viele. Für uns heißt das, gehören wir hierhin oder gibt es jemanden, der es besser macht? Wir werden sehen. Wir haben jedenfalls unser Bestes gegeben und das ist es letztendlich, was zählt.“